Determinanten des Mobilitätsverhaltens
Idee
Realexperimente sollten nicht willkürlich durchgeführt werden, sondern ausgewählte Hypothesen zu Grunde legen und sich auf unser bisheriges Wissen über Determinanten, also Einflussfaktoren nachhaltigen Mobilitätsverhaltens beziehen. Unsere zentrale wissenschaftliche Fragestellung lautet also: Welche situativen Kontexte führen über welche Mechanismen zu welchem Verhalten? Dazu wurde eine „Realist Synthesis“, eine Art Literatur-Übersicht, durchgeführt mit dem Ziel, das Mobilitätsverhalten der ausgewählten Zielgruppen „Jugendliche / junge Menschen“ und „Ältere“ zu erklären.
Umsetzung
Das methodische Vorgehen einer „Realist Synthesis“ beginnt mit einer vorläufigen Programmtheorie, die die zentralen Annahmen über die Wirkungszusammenhänge (Mechanismen) zwischen Kontext und Verhalten enthält. In dieser Arbeit wurde der Kontext unterteilt in politische, räumliche, strukturelle/organisatorische, soziale und persönliche Aspekte. Mit einer Recherche in den gängigen Datenbanken (zu den Stichworten sustained/sustainable mobility, e-mobility, sharing/shared mobility, mobility patterns, traffic, modal split, transportation, walking, (bi)cycling, public transport(ation), travel mode, active commuting) wurden 19 Interventionsstudien zum Mobilitätsverhalten identifiziert und deren Kontexte, empirisch bewährte Mechanismen und Verhaltensweisen herausgearbeitet. Mit diesen Informationen wurde eine finale Programmtheorie erstellt, welche die Determinanten zur nachhaltigen Mobilität mit den Endpunkten „reduzierte Autonutzung“, „(erhöhte) ÖV-Nutzung“ und „aktive Mobilität (mit dem Rad, zu Fuß)“ abbildet.
Ergebnisse
Ob Menschen nachhaltig mobil sind, hängt vor allem an persönlichen Vorlieben, Gewohnheiten und Kosten-Nutzen-Abwägungen. Sich oder etwas zu einem Ziel zu transportieren, muss möglichst schnell und unkompliziert vonstattengehen und mit annehmbaren Kosten verbunden sein. Eine Veränderung von Kosten-Nutzen-Abwägungen gelingt dann, wenn das Wissen über alternative Transportmittel erhöht, die Einstellung zu diesen positiv verändert und diese als sicher und zweckmäßig wahrgenommen werden. Interventionen zur Veränderung des Mobilitätsverhaltens sind erfolgversprechender, wenn sie sowohl personenbezogene (z.B. Einstellungen) als auch umweltbezogene Aspekte (z.B. Erreichbarkeiten) adressieren. Bisher eher selten in Interventionsstudien adressiert, obwohl die nachhaltigste Art der Fortbewegung, ist das Gehen. Mit der Methode der „Realist Synthesis“ konnten Aspekte, die bisher nur selten in Interventionsstudien oder überwiegend in der grauen Literatur behandelt wurden (z.B. individuelle Lebensweisen oder Veränderungen der Bauund Stadtstruktur) nicht als Determinanten für nachhaltige Mobilität identifiziert werden. Sicherlich gibt es weitere Faktoren, die die Verkehrsmittelwahl beeinflussen.
Fortsetzung
Letztlich bleibt die Veränderung des Mobilitätsverhaltens ein komplexes Problem. Lösungsansätze sollten systematisch entwickelt werden: Es hat sich bewährt, zunächst einen Ist-Zustand festzustellen, darauf aufbauend Ziele zu formulieren und abzuleiten und anschließend passende Maßnahmen zu entwickeln. Das Reallabor könnte die nachhaltige Mobilität stärken, indem es die Stadtplanung und die Verwaltung auf neue Forschungsbefunde hinweist, die Geh- und Radfreundlichkeit von Straßen und Quartieren bewusst macht und Informationen zu erfolgreichen Interventionen verbreitet.
Verantwortlich
INSPO – Lehrstuhl für Sport- und
Gesundheitswissenschaften
Prof. Dr. Wolfgang Schlicht, Maren Reyer. Dr. Daniela
Kahlert und Niklas Ehrhardt
Bearbeitungszeitraum
Januar – Dezember 2015
www.inspo.uni-stuttgart.de