Vorstellungen über Mobilitätsleitbilder
Idee
In diesem Arbeitspaket ging es darum zu untersuchen, welche unterschiedlichen Vorstellungen bzw. Leitbilder über die Zukunft der Mobilität in Stuttgart existieren und welche Konflikte daraus entstehen können. Leitbilder geben darüber Auskunft, was bestimmte Akteure oder Gruppen als machbar, wichtig und wünschenswert erachten. Sie haben eine wichtige Funktion, denn die Vorstellungen darüber, was wünschenswert ist und als machbar erscheint, beeinflussen das zukunftsbezogene Handeln der entsprechenden Akteure. Auf Grundlage von Leitbildern werden politische und wirtschaftliche Entscheidungen getroffen, die teilweise einen weitreichenden Einfluss auf die Zukunft unserer Gesellschaft haben.
Umsetzung
Untersucht wurden die mobilitätsbezogenen Zukunftsvorstellungen unterschiedlicher Akteure aus der Stuttgarter Stadtgesellschaft. Datengrundlage der Studie war der Verkehrsentwicklungsplan der Stadt Stuttgart für das Jahr 2030 (VEK von 2013). In einem Beteiligungsprozess hatte die Stadtverwaltung unterschiedliche Akteure (z.B. BUND, Blindenverband, Daimler AG, IHK etc.) aufgefordert, die erste Version des Mobilitätsleitbildes zu kommentieren. Neben der momentan gültigen Fassung des VEK wurden alle schriftlich verfügbaren Stellungnahmen zur ersten Version des VEKs (10 Dokumente) in die Analyse einbezogen. Für die Auswertung wurde eine Dokumentenanalyse durchgeführt, die sich an der qualitativen Inhaltsanalyse sowie der Leitbildanalyse nach de Haan u.a. orientierte. Um die Ergebnisse besser strukturieren und interpretieren zu können, wurde auf das statistische Verfahren der Korrespondenzanalyse zurückgegriffen.
Ergebnisse
Die Untersuchung zeigt die Vielfalt und Zielkonflikte in den mobilitätsbezogenen Zukunftsvorstellungen unterschiedlicher Akteure auf. Als Begründungen für die einzelnen Positionen werden immer wieder zentrale Wertvorstellungen wie „Lebensqualität“, „Freiheit“, „Gerechtigkeit“ etc. genannt. Vereinfacht gesagt, stehen sich zwei grundsätzliche Positionen gegenüber: die einen fordern mehr Umweltschutz und Lebensqualität und möchten dafür u.a. Autoverkehr vermeiden und eine Stadt der kurzen Wege verwirklichen. Die anderen fordern möglichst geringe Einschränkungen in der Verkehrsmittelwahl und einen möglichst reibungslosen Ablauf des Verkehrsgeschehens, der durch die Verflüssigung des Autoverkehrs und eine bessere Organisation des Wirtschaftsverkehrs erreicht werden soll. Das Mobilitätsleitbild der Stadt Stuttgart (VEK) enthält Elemente beider Positionen und thematisiert die damit einhergehenden Zielkonflikte:
„Die Sicherstellung der Mobilität bei freier Wahl des Verkehrsmittels bedeutet immer auch, einen Ausgleich unterschiedlicher Interessen vorzunehmen. Zielkonflikte lassen sich dabei nicht vermeiden. Es muss daher immer eine Abwägung für den Einzelfall stattfinden“ (VEK 2013: 1).
Wie dieser Auszug aus dem VEK bereits nahelegt, ist eine einvernehmliche Auflösung dieses Zielkonfliktes wohl nur am konkreten Fall unter Einbindung aller relevanten Akteure und Betroffenen möglich.
Fortsetzung
Hinter diesen gegensätzlichen Positionen stehen unterschiedliche Vorstellungen darüber, welche Rolle die Stadt bei der Gestaltung des Mobilitätssystems einnehmen soll. Die einen wünschen sich möglichst wenig regulierende Eingriffe der Stadt, während die anderen einen aktiven Beitrag der Stadt zur Gestaltung eines nachhaltigeren Mobilitätssystems fordern. Diese Konfliktlinie ist nicht neu, sondern zeigt, dass es beim Thema Zukunft der Mobilität um mehr geht als um den Transport von A nach B. Das Thema berührt grundlegende Wertvorstellungen im Hinblick auf die Frage, wie wir als Gesellschaft leben wollen. Bei der Gestaltung von Lösungsstrategien für Mobilitätsprobleme ist es daher wichtig, diese unterschiedlichen Positionen ernst zu nehmen. Um zu tragfähigen Lösungen zu kommen, braucht es Diskussions- und Beteiligungsformate, bei denen alle Betroffenen und Interessen miteinbezogen und auch wertbezogene Argumente ernst genommen werden.
Verantwortlich
ZIRIUS – Zentrum für interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung
Sophia Alcántara, Dr. Marco Sonnberger
Bearbeitungszeitraum
Januar – Dezember 2015
www.zirius.eu